Sehr geehrter Leser!
Viele meiner Berufskollegen vertreten die Auffassung, dass der Kfz-Sachverständige – ohne wenn und aber – gemäß BGH-Rechtsprechung mit den Stundenverrechnungssätzen markengebundener Fachwerkstätten zu kalkulieren hat. Zur Untermauerung ihres Standpunktes wird dann gerne noch das sog. Porsche-Urteil des BGH vom 29.4.2003 und § 249 II BGB angeführt. Sicher ist dem aufmerksamen Leser aufgefallen, dass es sich um BGH-Rechtssprechung aus dem Jahr 2003 handelt. Mittlerweile gibt es deutlich aktuellere (und anders lautende) BGH-Rechtssprechung!
Was nütz Ihnen die „Rechthaberei“ des Kfz-Sachverständigen, wenn seine Auffassung weder außergerichtlich noch gerichtlich durchsetzbar ist?
Für den Geschädigten ist es – in Erwartung einer zügigen Regulierung des Schadens – erforderlich, sich einen Kfz-Sachverständigen zu suchen, der die Sache differenzierter bzw. auf den Einzelfall bezogen sieht.
Es ist nicht die Aufgabe des Kfz-Sachverständigen, dafür zu sorgen, dass die (veraltete) BGH-Rechtssprechung bis in die unterste Gerichtsebene durchgesetzt wird (Anm.: „Kann er auch gar nicht.“). Es ist die Aufgabe des Kfz-Sachverständigen im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, dass dem Geschädigten möglichst schnell, möglichst umfassend und möglichst gerecht sein Schaden ersetzt wird.
Es nützt nichts, wenn der Kfz-Sachverständige eine durch ihn verkorkste Schadenregulierung mit erhobenem Finger kommentiert: „Aber ich hab‘ Recht gehabt!“
Die folgenden Ausführungen sowie das zugehörige Urteil ( 344 C 19290/16 AG München) zum Thema wurden mir freundlicherweise von der Rechtsanwaltskanzlei Michael Brand (Fachanwalt für Verkehrsrecht – www.RABrand.de) zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem ja zumindest im OLG-Bezirk München die Kürzungspraxis der Versicherungswirtschaft im Hinblick auf im Unfallzeitpunkt nicht scheckheftgepflegte, mehr als drei Jahre zugelassene Kraftfahrzeuge insofern eine Einschränkung erfahren hat, als bei zutreffender Gutachtenerstattung auf Basis mittlerer ortsübliche Stundenverrechnungssätze (SVS) nicht markengebundener Fachwerkstätten eine weitere Kürzung üblicherweise nicht statthaft ist, steht nunmehr zumeist im Streit, was die tatsächliche Höhe der SVS ist bzw. ob auch auf einen außerhalb belegenen Betrieb verwiesen werden kann.
Der von uns gerne vorgenommene Hinweis auf die Erhebungen der DEKRA Automobil GmbH, der einige Monate lang gut funktioniert hat, ist inzwischen leider nicht mehr gangbar, da nun leider auch bei Gericht bzw. den Beklagtenvertretern aufgefallen ist, dass es sich hierbei nicht um eine isolierte Erhebung zu nicht markengebundenen Fachwerkstätten gehandelt hat…
Vor diesem Hintergrund ist die anliegende Hinweisverfügung des AG München, welche überaus aktuell ist, durchaus von Interesse, da nunmehr als gerichtsbekannt zumindest die darin enthaltenen, aus hiesiger Sicht doch durchaus nicht unerfreulich hohen SVS für das Stadtgebiet München propagiert werden.
Aus hiesiger Sicht können daher zumindest für aktuelle Gutachten diese Sätze verwendet werden, wobei sicherlich im Frühjahr 2017 ein Update nötig sein wird.
Insofern sind wir auch gerne für Input Ihrerseits dankbar, da diese Thematik in der Regulierungspraxis inzwischen ja breiten Raum einnimmt und für die Geschädigten häufig bei entsprechender Gutachtenerstellung etliche 100 wenn nicht sogar 1000 € mehr bei fiktiver Abrechnung erzielt werden können.
Sie haben weitere Fragen oder benötigen Unterstützung? Dann kontaktieren Sie uns!
Africa Studio/Adobe Stock (Datei-Nr.: 47656488)
Autor
Andreas Gumminger
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