Sehr geehrter Leser!
Zum Dauerbrenner „Stundenverrechnungssätze“ und „Verbringungskosten“ bei fiktiver Abrechnung hat das Amtsgericht München jüngst ein Urteil mit erfreulicher Begründung gefällt.
Folgende Information sowie das zugehörige Urteil wurden mir von der Rechtsanwaltskanzlei Michael Brand (Fachanwalt für Verkehrsrecht – www.RABrand.de) zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank dafür!
Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei ein weiteres, aktuelles Urteil des AG München zum Dauerbrenner Stundenverrechnungssätze (= SVS) bei fiktiver Abrechnung und Fahrzeugen älter als drei Jahre sowie nicht dauerhaft markengebunden gepflegt und gewartet. Ebenfalls insofern geht das Gericht auf Basis eines Gutachtens aus dem September 2016 von Werten von 116,59 € netto für Karosseriearbeiten und 119,70 € netto für Lackierarbeiten (insofern wohl zuzüglich Lackmaterial, was das Gericht vergessen hat, auch auszuformulieren) aus.
Dies ist in Anbetracht der zuletzt von uns übermittelten Hinweise des AG München durchaus ein weiterer Anhaltspunkt sowie Argumentationshilfe.
Des weiteren spricht das AG München in erfreulicher Deutlichkeit aufgrund inzwischen angeblich bestehender Gerichtskunde hierzu hinsichtlich der Erhebung von Verbringungskosten aller Werkstätten in der Region München diese auch bei fiktiver Abrechnung in voller Höhe zu.
Es zeigt sich also einmal mehr, dass bei zutreffender Angabe entsprechender SVS im Durchschnitt der nicht markengebundenen Werkstätten in der Region München durchaus auch bei den ständig auftretenden Kürzungen der Versicherungswirtschaft mit entsprechender Argumentation voller Erfolg vor Gericht zu erzielen ist.
Gleiches gilt hinsichtlich in der gutachterlichen Kalkulation nach wie vor aus hiesiger Sicht anzusetzender Verbringungskosten.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Information gedient zu haben und stehen jederzeit für Ihr Feedback oder sonstige Fragen, gerne auch unabhängig von diesem Thema, wie gewohnt zur Verfügung.
Amtsgericht München
Az.: 322 C 19106/16
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Michael Brand, Dom-Pedro-Straße 22, 80637 München, Gz.: U-521/15/MB
gegen
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
…
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht Bießle am 19.12.2016 auf Grund des Sachstands vom 02.12.2016 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäߧ 128 Abs. 2 ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 307,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.09.2015 sowie weitere 334,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.09.2016 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüberhinaus verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25.06.2015 gegen 08.00 Uhr auf der Karl-Theodor-Straße Richtung Osten in München noch entstehen werden.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 11 O % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 690,80 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 25.06.2015 auf der Karl-Theodor-Straße in München.
Beteiligt waren der im Eigentum des Klägers stehende PkW mit dem amtlichen Kennzeichen owie der bei der Beklagten haftpflichtversicherte PkW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXX.
Die Haftung der Beklagtenseite dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig.
Streitig ist allein die Frage, ob der Kläger restliche Reparaturkosten in Höhe von 307,36 € ersetzt verlangen kann. Der Kläger ist der Auffassung, er könne die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der in seinem Gutachten angesetzten ortsüblichen durchschnittlichen Stundensätze in seiner Region ersetzt verlangen. Er müsse sich nicht auf die von Beklagtenseite benannte Werkstätte Kameter verweisen Jassen. Diese sei ihm schon nicht ohne Weiteres zugänglich, da sie über 20 km von seinem Wohnsitz entfernt sei. Die Verbringungskosten seien auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung erstattungsfähig, da sie bei der überwiegenden Anzahl der Werkstätten in der Region des Klägers anfallen würden.
Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet, da bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfallschaden, sowie die Umsatzsteuer anfalle.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 352, 19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 14.09.2015, sowie weitere 334,75 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüberhinaus verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25.06.2015 gegen 08.00 Uhr auf der Karl-Theodor-Straße Richtung Osten in München noch entstehen werden.
Die Beklagtenseite beantragt:
Klageabweisung.
Die Beklagtenseite ist der Auffassung, der Kläger müsse sich bei der Reparatur auf den von ihr benannten Referenzbetrieb Fa. Hans Kameter verweisen Jassen. Die Reparatur dort sei gleichwertig, die Firma weise eine entsprechende Zertifizierung auf. Zudem biete die Werkstätte in der Regel einen kostenlosen Hol- und Bringservice an. Die Verbringungskosten seien im Rahmen der fiktiven Abrechnung nicht erstattungsfähig, da diese nicht stets, sondern werkstattabhängig anfallen. Ein Feststellungsinteresse des Klägers bestünde nicht, da noch nicht feststehe, dass die Klagepartei ihr Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen wolle.
Hinsichtlich des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf den gesamten Akteninhalt wird verwiesen.
Die Parteien waren mit einer Entscheidung im schriftlichen Vetiahren einverstanden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nahezu in vollem Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 307 ,36 € aus §§ 7 Absatz 1, 118 Absatz 1 StVG, 115 WG, 1 PflversG.
Der Kläger konnte vorliegend nicht auf die Reparaturmöglichkeit in der Werkstätte Fa. Kameter verwiesen werden. Unstreitig befindet sich diese Werkstätte in einer Entfernung von mindestens 20 km vom Wohnort des Klägers entfernt. Bei dieser Entfernung ist diese Werkstätte nicht ohne Weiteres für den Kläger mühelos zugänglich und ist für ihn mit unzumutbaren Unannehmlichkeiten verbunden. Die Firma Kameter verfügt auch nicht über einen kostenlosen Hol- und Bringservice bei einer Entfernung von ca. 20 km. Im Verfahren 332 C 25837 /15 gab die Zeugin Sonja Kameter an, dass die Firma einen Hol- und Bringservice nur im Umkreis von maximal 15 km anbietet. Hinzu kommt, dass der private Sachverständige in seinem Gutachten die mittleren ortsüblichen Sätze in der Region München zugrunde legt. Die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze nicht markengebundener Werkstätten betragen in München (einbezogen wurden 14 Werkstätten, davon zwei in Taufkirchen, eine in Ottobrunn und eine in Aschheim“). Nach dem neuesten, dem Gericht bekannten Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Rainer Merk vom 07.09.2016 im Verfahren 341 C 9163/16 116,59 € Netto für Karosseriearbeiten und 119,70 € Netto für Lackierarbeiten.
Der Geschädigte ist in dem durch das Wirtschaftlichkeltsgebot und das Verbot der Bereicherung gezogenen Grenzen grundsätzlich frei in der Wahl und in der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung. Das gilt auch bei fiktiver Abrechnung. Er ist weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren noch es zur Reparatur in eine bestimmte Werkstatt zu geben. Es bleibt ihm überlassen, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug tatsächlich instandsetzt. Diesen Grundsätzen widerspräche es, wenn der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung letztlich auf bestimmte Stundenverrechnungssätze der billigsten, von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt in der Region beschränkt wäre, weil dies in die Freiheit der Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreift, etwa wenn er sein Fahrzeug gar nicht repariert, sondern veräußert. Der zur Schadensbeseitigung erforderliche Betrag i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB wird nicht durch die besonders günstigen Stundenverrechnungssätze einer von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt bestimmt, sondern bemisst sich auch bei fiktiver Abrechnung danach, welche Reparaturkosten und maßgeblich sind, insoweit die durchschnittlichen ortsüblichen Sätze in seiner Wohngemeinde. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die billigste Werkstatt zu wählen (vgl. Urteil vom 13.09.2013, OLG München, X. Zivilsenat, 10 U 859/13).
Auch steht aufgrund der zuletzt bei Gericht eingeholten Gutachten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der überwiegende Anteil, sowohl der markengebundenen Fachwerkstätten, als auch
der sogenannten freien Werkstätten Verbringungskosten ansetzt. Der Kläger kann daher auch die Verbringungskosten zu einer Lackiererei in Höhe von 119,· € ersetzt verlangen. Die technischen Abzüge wurden zwischen den Parteien in Höhe von 45,55 € unstreitig gestellt, sodass von den Reparaturkosten 45,55 € abzuziehen waren, sodass der Kläger noch 307,36 € ersetzt verlangen kann.
Die zulässige Feststellungsklage ist in vollem Umfang begründet. Insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse, da das klägerische Fahrzeug offensichtlich noch nicht repariert ist und der Kläger glaubhaft verslchert hat zu beabsichtigen, das Fahrzeug reparieren zu lassen. Erst dann kann ein Nutzungsausfallschaden bzw. können Mietwagenkosten konkret beziffert und daher geltend gemacht werden und die Mehrwertsteuer fällt dann im Bezug auf die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten an, sodass mangels durchgeführter Reparatur der vollständige Schaden derzeit noch nicht bezifferbar ist.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334, 75 € unter Zugrundelegung einer 1,3 Gebühr werden vom Kläger substantiert dargetan und von Beklagtenseite nicht bestritten, sodass der Kläger diese ersetzt verlangen kann. Auch die Verzugszinsen ab dem 14.09.2015 werden vom Kläger substantiert vorgetragen und von Bek!agtenseite nicht bestritten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, sowie aus dem Wert des Feststellungsantrages.
gez.
Bießle
Richterin am Amtsgericht
Verkündet am 19.12.2016
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Paul/Adobe Stock (Datei-Nr.: 225306234)
Autor
Andreas Gumminger
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