Sehr geehrte Leser!
Der folgende Aufsatz wurde mir freundlicherweise von der Rechtsanwaltskanzlei Martin Dirscherl (Fachanwalt für Verkehrsrecht – www.kanzlei-dirscherl.de) zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Vollkaskoversicherung als Finanzierungsinstrument
Ein vollkaskoversichertes Fahrzeug ist durch einen fremdverschuldeten Unfall zu Schaden gekommen und muss nun trotz klammer Finanzlage des Geschädigten möglichst schnell repariert werden.
Hierzu gibt es eine sehr einfache Lösung der Vorfinanzierung. Ein paar wesentliche Dinge aber müssen tunlichst eingehalten werden.
Von der Ausgangssituation her herrscht im konkreten Fall folgende klare Interessenlage: Das Auto soll repariert werden, die Werkstatt möchte (berechtigterweise) nicht zu lange warten, bis die Rechnung beglichen wird. Der Geschädigte ist aber nicht in der Lage, die Reparatur vorzufinanzieren.
Ein bequemer Weg wäre die Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung. Damit wird der Werkstatt schnell die Rechnung bezahlt und der Geschädigte kann sein Kraftfahrzeug wieder nutzen. Damit aus diesem bequemen Weg kein steiniger und anstrengender wird, gilt es, einige Dinge zu beachten.
1. Voraussetzungen
Theoretisch kann ein Geschädigter, wenn er eine Vollkaskoversicherung hat, diese nach einem fremdverschuldeten Unfall unproblematisch beanspruchen. So schlicht es klingt, ist es auch. Ein Vertrag zu einer Vollkaskoversicherung beinhaltet die Regulierung der Schäden am eigenen Fahrzeug, nahezu unabhängig von anderen Bedingungen (abgesehen von bestimmten Einschränkungen bei Fahrlässigkeit und Vorsatz des Versicherungsnehmers). Die Vorfinanzierung einer Reparatur mithilfe der Vollkaskoversicherung ist also grundsätzlich denkbar einfach.
Da die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung in mehrfacher Hinsicht Auswirkungen auf die Schadenregulierung mit dem Schädiger – respektive seiner Versicherung – hat, gilt es hier allerdings, von Anfang an umsichtig zu handeln.
Um ein Idealbild der Regulierung zu zeigen, müssen zunächst die Rechtsfolgen der Regulierung über die Vollkaskoversicherung aufgezeigt werden. Mit den Rechtsfolgen im Blick wird deutlich, welche Schritte im Einzelnen zu unternehmen sind, um diese Rechtsfolgen unter Kontrolle zu halten. Das Pferd muss also sprichwörtlich von hinten aufgezäumt werden.
2. Rechtsfolgen der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung
a) Übergang des Anspruchs auf Schadenersatz
Durch die Zahlung des Schadens geht der Schadenersatzanspruch (bis auf die Selbstbeteiligung) auf die Vollkaskoversicherung über. Der Anspruch, den der Geschädigte hatte, wandert gewissermaßen mit der Zahlung zur Vollkaskoversicherung.
b) Höherstufung
Bei der Inanspruchnahme wird der Vollkaskovertrag belastet. Damit steigt die Prämie, wovon der Kunde sicherlich nur mäßig begeistert sein wird.
c) Meldung bei der HIS-Datenbank
Die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung wird möglicherweise bei der HIS-Datenbank (Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft) gemeldet.
3. Der Umgang mit den Rechtsfolgen
a) Die Vollkaskoversicherung ist nach dem Ausgleich des Schadens Inhaber der Forderung. Diese kümmert sich nunmehr selbst um die Begleichung, sprich Regulierung des Schadens durch die eintrittspflichtige Versicherung des Unfallgegners. Hierzu wird sie diese in der Regel in Regress nehmen. Für den Geschädigten ist nur wichtig, dass er der Haftpflichtversicherung mitteilt, dass der Schaden nunmehr nicht an ihn, sondern an seine Vollkaskoversicherung zu regulieren ist. Die Selbstbeteiligung, die der Geschädigte mit seiner Vollkaskoversicherung vereinbart hat, bekommt er als „Restposten“ von der Haftpflichtversicherung.
b) Nach der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung steigt dort die Prämie für den Geschädigten. Es entsteht der sogenannte Höherstufungsschaden. Dieser Schaden muss von der Haftpflichtversicherung ersetzt werden, so dass dem Geschädigten hier kein Schaden entstehen sollte.
c) Eine Abrechnung über die Vollkaskoversicherung führt unter bestimmten Umständen zu einer Meldung in der HISD atenbank. Diese Datenbank soll die Versicherungswirtschaft bzw. die „Gemeinschaft der Versicherten“ vor Betrug schützen. Diese Datenbank wird aus datenschutzrechtlicher Sicht von einigen Stimmen durchaus kritisch gesehen, sie ist aber existent und man muss damit umgehen.
Fazit: Die einzelnen Rechtsfolgen können mit dem entsprechenden Wissen im Griff behalten werden. Will man alles korrekt machen, ist der Weg allerdings deutlich komplizierter, als er auf den ersten Blick erscheint.
4. Der korrekte Weg in einzelnen Schritten
a) Warnung an die gegnerische KfzHaftpflichtversicherung
Die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung ist eine Abweichung vom „normalen“ Weg der Schadenregulierung mit einer entscheidenden Folge für den Unfallgegner (bzw. seine Versicherung): Sie ist teurer.
Aus diesem Grund muss die Versicherung des Unfallgegners gewarnt werden. Sie hat dann die Möglichkeit, darauf zu reagieren und die Verteuerung des Schadens abzuwenden. Erfolgt eine solche Warnung nicht, verstößt der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadenminderung und bleibt auf den höheren Kosten (Höherstufungsschaden, wie oben beschrieben) sitzen.
Ist bereits von Anfang an klar, dass der Geschädigte die Reparatur nicht vorfinanzieren kann, sollte diese Warnung bereits mit der Schadenmeldung an die Versicherung des Gegners erfolgen.
b) Meldung an die Vollkasko und an die gegnerische Haftpflichtversicherung
Die Meldung an die Vollkaskoversicherung erfolgt in der Regel über ein Formular, welches über die jeweils zuständige Versicherung anzufordern ist. Zum Zeitpunkt der Zahlung durch die Vollkasko geht der Schadenersatzanspruch automatisch auf diese über (vgl. oben Punkt 2. a). Das heißt, ab diesem Zeitpunkt ist auch die Versicherung der Gegenseite darüber zu informieren, dass nunmehr nur noch der Betrag der Selbstbeteiligung an die Werkstatt bzw. den Geschädigten zu zahlen ist.
c) Höherstufungsschaden
Nachdem die Vollkaskoversicherung ihre Leistung erbracht hat, lässt sich dort auch erfragen, wie hoch der Höherstufungsschaden ist. Diese Auskunft sollte schriftlich von der Versicherung angefordert werden. Die Einzelheiten richten sich nach den jeweiligen Vereinbarungen und können hier nicht umfassend behandelt werden. Jeder Versicherungsvertrag hat seine Eigenheiten und sollte konkret für diesen Fall unabhängig geprüft werden.
d) HIS-Datenbank
Hier muss die Vollkaskoversicherung um Auskunft ersucht werden. Im Zweifel kann man selbst bei der HIS-Datenbank eine Anfrage stellen. Ob und wie ein möglicherweise vorhandener Eintrag löschungswürdig ist, ist sehr vom Einzelfall abhängig. Im Sinne des Datenschutzes lohnt sich jedoch ein Hinterfragen der möglichen Eintragung.
Fazit:
Die Vorfinanzierung des fremdverschuldeten Reparaturschadens über eine Vollkaskoversicherung bietet – auch wenn ordnungsgemäß durchgeführt – Fallstricke. Die zeitnahe und korrekte Bezifferung der Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner bzw. seiner Versicherung sind eine der Grundvoraussetzungen. Ein Blick auf die Folgen der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung macht deutlich, dass zum Wohle des Geschädigten einige
Dinge zu beachten sind. Andernfalls stehen am Ende der zunächst als sehr bequem erscheinenden Vorfinanzierung Kosten, die vermeidbar gewesen wären. Die Folge ist ein geschädigter Kunde mit Mehrkosten und dies für den „Lohn“ der eventuell schnell(er) bezahlten Reparaturrechnung. Die Androhung der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung reicht häufig schon aus, um der Versicherung des Gegners auf die Sprünge zu helfen.
Aufgrund der hohen Komplexität der Schadenregulierung sollte immer ein unabhängiger Berater herangezogen werden. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist in derartigen Fällen dringend zu empfehlen.
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Autor
Andreas Gumminger
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